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Mit der Eisenbahn durch den brasilianischen Urwald
von Dr. Klaus Lanfermann
Von Curitiba über Morretes nach Paranaguá führt eine der bekanntesten Eisenbahnstrecken Brasiliens. Curitiba liegt auf einem Hochplateau, ca. 900 m über dem Meeresspiegel im Süden Brasiliens und hat ca. 3,5 Millionen Einwohner. 1885 wurde mit dem Bau der Eisenbahnlinie durch den Urwald begonnen. In nur 5 Jahren Bauzeit wurde das Werk vollendet. Die Strecke bis Morretes ist ca. 60 km lang und führt über 67 Brücken und durch 13 Tunnel. Um die 8000 Arbeiter waren an dem Bauwerk beschäftigt, von denen aber viele nicht überlebten, da Krankheiten wie Thyphus und Malaria oder Unfälle im unzugänglichen Gelände an der Tagesordnung waren. Noch heute wird die Strecke für den Warentransport von der Küste nach Curitiba genutzt. Für die Touristen fährt die Bahn morgens nach Paranaguá und abends wieder zurück nach Curitiba.
Morgens um 7 Uhr sollen wir im Hotel abgeholt werden. Es sind ca. 15 Grad Celcius und es regnet. Als um 7.15 der Fahrer noch immer nicht da ist, werden wir leicht unruhig, aber keine Sorge, wir sind in Brasilien und nicht in Deutschland. Durch die Innenstadt fahren wir zusammen mit zwei Amerikanerinnen und ihren Kindern zum Bahnhof. Dort geht es heiß her, überall Leute, fremde Sprachen, wie im Ameisenhaufen. Man führt uns in ein Büro, wo die Fahrscheine hinterlegt sind. Nachdem wir den Fahrpreis entrichtet haben, deutet man uns an, durch die Sperre zum Bahnsteig zu gehen. Also quetschen wir uns durch die Menge, der Kontrolleur entwertet das Ticket und zeigt uns den Wagen Nr. 1011. Ein bunter Zug mit vielen Werbeaufdrucken steht auf dem Schmalspurgleis, gezogen von einer Doppeltraktion Dieselloks.
Das Wageninnere ist nicht mit deutschen Standards zu vergleichen. Wir haben einen Komfortwagen mit Snak und Reisebegleitung gebucht. Die Bänke sind halbwegs bequem und die drei Stunden Fahrt werden wir schon überleben. Eine Brasilianerin erklärt über eine quäkende Lautsprecheranlage auf portugiesisch und englisch die Schönheiten der Strecke. Der Waggon ist nicht ausgebu0cht. Wir haben einen Fensterplatz, aber die Fenster sind heute morgen geschlossen, Regentropfen schlagen dagegen.
8 Uhr, der Schaffner pfeift, der Zug darf abfahren. Die Dieselloks setzen sich langsam in Bewegung. Der Zug verläßt den Bahnhof und zieht gemächlich durch die Stadt und die Vororte. Die Hochhäuser verschwinden, die Bebauung wird spärlicher, die Hütten ärmlicher. Wir fahren auf dem Hochplateau dem Regenwald entgegen. Noch immer peitscht der Regen gegen die Fenster. Die Fahrgäste sind gut gelaunt und unsere Reisebegleiterin tut das ihre, die Stimmung anzuheizen. Die Vegetation wird üppiger, der brasilianische Regenwald beginnt, nein, wir sind eigentlich schon mitten drin. Die Landschaft zeigt uns ihre Reize ... große Bäume, mit anderen Pflanzen bewachsen, Bananenstauden, blühenden Pflanzen, Täler, Berge, Seen. Mal schauen die Reisenden auf der einen Seite zum Fenster heraus, mal auf der anderen, aber sitzen tut man schon eine ganze Weile nicht mehr.
Auf einer Anhöhe erreichen wir etwa nach der halben Fahrzeit beinen verfallenden Bahnhof. Ein Ausweichgleis zieht sich parallel zur Hauptstrecke. Der Zug hält und man erklärt uns, dass wir auf den entgegenkommenden Güterzug warten müssen. Die Passagiere steigen teilweise aus und genießen den Zwangsaufenthalt. Nach einigen Minuten weist der Zugbeleiter die draußen herumturnenden Leute an, wieder den Zug zu besteigen und drinnen zu bleiben. Ein paar versuchen trotzdem noch wieder auszusteigen, werden aber unbarmherzig mit der Trillerpfeife zurückgewiesen. In der Ferne hört man das Schnaufen des herannahenden Zuges. Jetzt wird er sichtbar und fährt ganz langsam auf uns zu. Eine Vierertraktion leistet Schwerstarbeit. Zuerst die Kesselwagen, dann die gedeckten Güterwagen, der Zug scheint kein Ende nehmen zu wollen. Jetzt kommt der letzte Wagen vorbei und kurz darauf setzt sich unser Zug wieder in Bewegung. Weiter geht es durch eine wunderschöne Landschaft. Vor jedem Tunnel kommt die Animation unserer brasilianischen Begleiterin. Die Fahrt über die Brücken offenbart die tiefen Abgründe, über die diese Brücken gebaut worden sind. Noch einmal müssen wir halten, um einen weiteren Güterzug vorbeizulassen, dann geht es den Berg hinunter Richtung Meer.
Inzwischen ist es wärmer geworden, der Regen hat aufgehört und zwischendurch scheint die Sonne durch den wolkenverhangenden Himmel. Die Vegatation wird noch üppiger,
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die Bananenstauden haben hier schon Früchte. Verlassene Häuser erinnern an die Zeiten von vor über 100 Jahren. Die Zeit verinnt wie im Pfluge und schon nähert sich unsere Endstation - Morretes. Der Bahnsteig ist mit fliegenden Händlern bevölkert, die die Produkte der Gegend - alles Mögliche aus Bananen - feilbieten. Für uns ist die Fahrt hier beendet,wir werden abgeholt und unser Begleiter zeigt uns die Schönheiten dieses beschaulichen Plätzchens inmitten des brasilianischen Regenwaldes. Der Ort lädt zum Aufenthalt ein, ein paar Tage Urlaube ohne Streß, ohne Hektik.
Nach einem typisch brasilianischen Mittagessen mit 24 Stunden gekochtem Rindfleisch im Tontopf geht es mit dem Auto zunächst noch nach Paraguá. Ein Blick übers Meer, das Erwachen von Fernweh, die typischen Gebäude aus der Kolonialzeit ... es geht alles viel zu schnell. Brasilien ist es wert, länger als einen Tag die Schönheiten zu genießen. An der Mole zeigt uns unser Begleiter eine weitere Köstlichkeit Brasiliens ... Zuckerrohrsaft. In einem kleinen Stand wartet ein freundlicher Brasilianer auf durstige Besucher. Er nimmt pro Glas ein ca. 1 m langes Stück Zuckerrohr und preßt es auf einer Walze aus. Es reicht gerade für ein Glas Saft. Um die Süße etwas zu nehmen, ist etwas Limettensaft zugegeben und gut gekühlt mit Eis - eine wahre Köstlichkeit.Schade, daß meine Leser nicht probieren können, aber vielleicht fahren Sie demnächst selber mal hin ... es ist auf jeden Fall zu empfehlen.
Inzwischen ist es Nachmittag geworden und wir müssen zurück. Mit dem Auto geht es durch den brasilianischen Regenwald, nicht ohne noch einige sehenswerte Ausblicke zu genießen. Der Regenwald ist einfach phantastisch, nicht nur von der Straße beobachtet, auch wenn man ein Stück in ihn hineinwandert. Man stelle sich eine Dusche vor und stelle ein paar Pflanzen hinein, Bananstauden, Lianen, was immer einen einfällt. Und wenn man jetzt darunter steht, die Regentropfen tropfen von den Pflanzen, alles ist naß, so etwa muß man es sich vorstellen.
Inzwischen nähern wir uns wieder Curitiba. In wenigen Stunden geht das Flugzeug nach Rio de Janeiro. Nach einem wundervollen Tag im Regenwald erwartet uns in Rio das Gegenteil. Die Hektik der Großstadt, das großartige Ambiente einer 30 Millionen Stadt, der Blick vom Zuckerhut auf die Copacabana.
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